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Aus der Festbeilage der Gladbacher Zeitung vom 31.7.1921 anlässlich der Vereinigung von Gladbach-Stadt, Gladbach-Land, Rheindahlen und Neuwerk, zur neuen Stadt M.-Gladbach.
R h e i n d a h l e n
Unsere Vaterstadt Rheindahlen steht vor einem neuen Daseinsabschnitt.
Es liegt nahe, beim Eintritt in diesen neuen Lebensabschnitt den Blick noch einmal rückwärts zu wenden. Zunächst soll dabei etwas zur Geschichte der Stadt gesagt werden, um dann einige Angaben über ihre Entwicklung seit ihrer Zugehörigkeit zu Preußen folgen zu lassen.
Die Leidensgeschichte des alten Dahlen.
Unsere Vaterstadt blickt auf ein hohes Alter zurück. Zuerst ist ihrer Erwähnung getan im Jahre 861. Dann wird sie erwähnt in einer Urkunde vom Jahre 1240. Durch einen Freibrief wurden ihr am Freitag nach dem Feste des heiligen Johannes des Täufers im Jahre 1354 durch Wilhelm V., Markgraf zu Jülich, für ewige Zeiten wichtige Freiheiten verliehen. In diesem Freibrief wird Dahlen “Stadt” genannt, und es ist anzunehmen, dass, da in einer Urkunde 1352 Dahlen noch Dorf genannt wird, die Verleihung der Stadtrechte zwischen 1352 und 1354 stattgefunden hat. Im Verlaufe des 15. Jahrhunderts, um 1450, geht Dahlen aus den Händen der Grafen zu Jülich in die Hände der Grafen von Moers und im Jahre 1493 in die Hand des Grafen Wilhelm von Wied über, von dem es jedoch schon im nächsten Jahre wieder in den Besitz des Herzogs von Jülich kam. Von da ab bleibt Dahlen mit dem I Herzogtum Jülich verbunden.
Als um die Mitte des 16. Jahrhunderts die Niederlande sich gegen Phillipp II. von Spanien erhoben und dieser 1568 den Herzog von Alba nach den Niederlanden schickte, wurde auch die Umgegend von Dahlen und Dahlen selbst schwer in Mitleidenschaft gezogen. Zwischen Dahlen und Gladbach schlug Herzog Alba die oranischen Generale Limas und Villiers gänzlich und verfolgte sie acht Stunden weit [sic! D.K.]. In diesen Zeiten ließ Herzog Wilhelm auf Bitten der Einwohnerschaft Dahlens die arg zerfallenen Festungswerke der Stadt wiederherstellen. Unter dem niederländischen Kriege, der noch lange in nächster Nähe tobte, hat Dahlen und seine Bevölkerung auch in der Folge schwer gelitten. Und als dann nach dessen Beendigung im Jahre 1609 bald darauf der Jülicher Erbfolgestreit ausbrach, und nicht viele Jahre später der 30-jährige Krieg einsetzte, begann für Dahlen die Leidenszeit von neuem.
Das größte Unglück indessen, das über Dahlen gekommen ist, ist seine gänzliche Zerstörung durch den großen Brand am 5. Juni 1647 [Otto von Mülmann gibt in „Gewerbe-Statistik von Preussen“ Dritter Theil: Der Regierungsbezirk Düsseldorf. 1, J. Baedeker, Iserlohn 1864, den 5. Juli 1647 als Datum des Brandes an. Als Grund wird „das Brüten eines Huhnes auf einem Backofen“ angegeben, D.K.], bei welchem auch die Kirche und das Kloster in Flammen aufgingen und nur ein Haus gerettet wurde. Eine überaus traurige Zeit war für Dahlen angebrochen. In den fortwährenden Kriegen Ludwigs XIV. ist Dahlen fast fortwährend bald mit Truppen belegt, bald zu Kontributionen gezwungen worden [ca. 1667–1714, D.K.]. Anfangs des folgenden Jahrhunderts sind es bald verbündete kurbrandenburgische, englische und hannoversche, bald französische Truppen, die durch Dahlen ziehen, dort Quartier nehmen und dabei viel Schaden anrichten. Nach dem Frieden von 1714 hörten die Leiden für Dahlen aber noch immer nicht auf. Es hatte viel auszustehen unter Räuberbanden und Gesindel, das sich noch um diese Zeit breit machte. Nach Ausbruch des österreichischen Erbfolgekrieges im Jahre 1740 wurde Dahlen erneut von Kriegstruppen belästigt. Im Siebenjährigen Krieg wurde es besonders in den Jahren 1758, 1761 und 1762 schwer heimgesucht. Vom Ende des Siebenjährigen Krieges [ca. 1756–1763, vor allem 1758 im Rheinland, D.K.] bis zum Beginn der französischen Revolution [ca. 1789-1799, D.K.] wurde es von Kriegsereignissen unmittelbar nicht mehr berührt.
Wie bereits erwähnt, ist Dahlen eine befestigte Stadt gewesen. Schon 1405 kommt es als eine mit Mauern umgebene Stadt vor. Die Mauern waren mit drei Toren [Südosten: Wickrather Tor, Südwesten: Beecker Tor, Norden: Mühlentor, D.K.] und verschiedenen kleinen Torwegen versehen und mit 4 Türmen befestigt. Ferner war die Stadt mit einem Walle umgeben, und um die Mauer lief ein breiter Graben. Um den Wall aber lief ein freier Fußpfad, der so breit sein musste, dass ” zwei Bürgermeister, sich an der Hand haltend, denselben bequem begegnen konnten.” Um 1780 hat man angefangen, die Befestigungen abzutragen. Zurzeit, da Dahlen zum Herzogtum Jülich gehörte, bildete die Stadt mit dem Kirchspiel und den beiden Dörfern Venrath und Grambusch im jetzigen Kreise Erkelenz ein Amt. Eigentümlich ist, dass die Verwaltung nicht einheitlich war. Jeder Teil des Amtes, nämlich Stadt, Kirchspiel, Venrath und Grambusch, hatte seine eigene Verwaltung. Neben den Bürgermeistern als Gemeindebeamte fungierten als Beamte des Herzogs die Vögte.
Als im Jahre 1794 die Heere der französischen Republik die Rheinlande besetzten, brachen wieder schlimme Tage für Dahlen an [Besetzung der linksrheinischen Gebiete im Zuge des Ersten Koalitionskrieges und der Anschließenden Einteilung in Départements, D.K.]. Harte Bedrückung hatte es zu erdulden. Einquartierungen, Durchmärsche, Kontributionen, Steuern und Dienstleistungen folgten sich fast ununterbrochen. Am 18. Juli 1795 nahm man, wahrscheinlich um die Gemeinde zu pünktlicher Leistung des Geforderten anzutreiben, den Bürgermeister H. Fischermanns fest, führte ihn nach Neersen und hielt ihn 11 Tage fest.
Infolge des Dekrets vom 27. Prairial, Jahres 6 der franz. Republik (15. Juni 1798) wurde Dahlen dem Canton Odenkirchen, Arrondissement (Kreis) Krefeld, Roerdepartement [frz.: Ruhrdepartement von 1798–1814, D.K.] zugeteilt. So war Dahlen dem franz. Reiche zugeteilt.
Rheindahlen als preußische Stadt (1815 – 1921)
Durch den ersten Pariser Frieden am 30. Mai 1814 wurde das Roerdepartement, zu welchem Dahlen gehörte, von Frankreich an Deutschland abgetreten und durch die Wiener Verträge 1815 kam Dahlen mit dem übrigen linken Rheinufer an Preußen. Bei der neuen Landeseinteilung wurde Dahlen dem Regierungsbezirk Düsseldorf zugeteilt und es gehört seit der Kreiseinteilung vom 24.April 1816 zum Kreise Gladbach. Die Stadt Dahlen bildet jetzt mit dem Kirchspiel eine Bürgermeisterei unter einer einheitlichen Verwaltung. Die beiden Dörfer Venrath und Grambusch aber sind abgetrennt. Ersteres gehört jetzt zur Bürgermeisterei Keyenberg, letzteres zur Bürgermeisterei Schwanenberg, beide im Kreise Erkelenz, Regierungsbezirk Aachen.
In den nun folgenden Friedensjahren erholte sich Dahlen von den vielen Schlägen, die es getroffen. Die Bürgermeister, welche seit 1814 der Gemeinde vorgestanden haben, sind folgende:
1. Franz Heinrich Henrichs bis 31. Januar 1838 [Rechtsanwalt und erster Notar in Mönchengladbach , D.K.] (gestorben 23. Juni 1842)
2. Peter Heinrich Mertens, er legte sein Amt im Jahre 1850 nieder und starb am 14. Januar 1865.
3. Friedrich Wilhelm Wolters, von 1850 – 1857. [geboren ca. 1807, D.K.]
4. Johann [Franz , D.K.] Nikodem [Oder: Nicodem, Ritter p.p. , D.K.], Ehrenbürger der Stadt Rheindahlen, vom 17. Oktober 1857 bis 1. April 1900 ([geb. 6. März 1820 , D.K.] gestorben 6. März 1904 zu M.-Gladbach)
5. Anton Kremer, vom 24. April 1900 bis 23. April 1912 (lebt in Köln im Ruhestand)
6. André [Andreas , D.K.] Bornes, seit dem 1. Juni 1912.
Die Umänderung des Namens Dahlen in Rheindahlen wurde durch königlichen Erlass vom 24. Dezember 1877 genehmigt. Grund zu der Umänderung gab die häufige Verwechslung mit Dahlen im Königreich Sachsen an der Leipzig – Dresdener Bahn. Nach Ausbau der über Rheindahlen führenden Eisenbahnlinie M.-Gladbach – Roermond – Antwerpen würde es ohne die Änderung zwei Eisenbahnstationen mit dem Namen Dahlen gegeben haben. Der Flächeninhalt der Gemeinde beträgt, nachdem zum 1. Oktober 1908 45,5 Hektar zur Bildung des Rheydter Stadtwaldes an die Gemeinde Rheydt abgetreten und dieser einverleibt worden sind, noch 3369,6 Hektar.
Im Jahre 1798 betrug die Seelenzahl der ganzen Gemeinde 3645, im Jahre 1815: 4449, 1835: 4560, 1849: 5208, 1864: 6131, 1871: 6164, 1900: 7145, 1905: 7551 , 1910: 8484, 1914: 8814, 1919: 8295, und am 25. Juli 1921: 8637.

[Diagramm zur Veranschaulichung der Entwicklung der Einwohnerzahl Rheindahlens von 1815 bis 1921, D.K.]
Bis zum Jahre 1831 befanden sich in der Gemeinde Rheindahlen bei 4500 Einwohnern nur zwei Schulklassen, auf jede Klasse kamen 375 Schüler. Von 1831 bis 1869 ist die Zahl der Klassen auf 12 angewachsen. Heute sind insgesamt 27 Klassen mit 25 Lehrern vorhanden. Die durchschnittliche Kinderzahl je Klasse beträgt jetzt 55, während auf eine Lehrkraft durchschnittlich 59,4 Kinder entfallen. Im Jahre 1904 wurde die gewerbliche Fortbildungsschule mit Schulzwang für Handwerker- Lehrlinge bis zum Alter von 17 Jahren und im Herbst 1911 die ländliche Fortbildungsschule errichtet.
Nachdem die staatliche Genehmigung zur Gründung einer Filiale der Genossenschaft der armen Dienstmägde Christi aus dem Mutterhause in Dernbach (Westerwald) unterm 10. Juni 1865 erteilt worden war, traten am 1. Juli 1865 vier Krankenschwestern hier in Tätigkeit. Sie haben bis zum Jahre 1910, in dem der stattliche städtische Krankenhausneubau an der Südstraße in Benutzung genommen worden ist, ihre segensreiche Tätigkeit in dem ihnen bereiteten Heim an der Schulstraße ausgeübt. Dieses hat dem Kirchenneubau weichen müssen. Am 1. Juli 1915 konnte die Niederlassung das fünfzigjährige Jubiläum ihrer hiesigen Wirksamkeit feiern. Die Belassung der Pflege durch die Schwestern im hiesigen Kranken- und Pflegehause ist auch nach der Eingemeindung vertraglich sichergestellt. Zu vier hielten die Schwestern im Jahre 1865 hier ihren Einzug, jetzt sind entsprechend den gestiegenen Aufgaben zwölf hier tätig. Auf Grund eines vom Oberpräsidenten der Rheinprovinz am 30. Januar 1854 genehmigten Statuts trat am 1. Januar 1855 die städtische Sparkasse hier ins Leben. Aus bescheidensten Anfängen hat dieselbe besonders während der letzten zehn Jahre sich zu einer achtungsvollen Höhe entwickelt.
Bis zum Jahre 1879 hatte Rheindahlen keine Eisenbahn. Für Rheindahlen war Wickrath an der Strecke Aachen – M.-Gladbach – Düsseldorf die nächste Eisenbahnstation. Dieser Umstand ist sicher mit daran schuld, dass Rheindahlen gegenüber den Nachbargemeinden Odenkirchen, Rheydt, Gladbach-Stadt und Gladbach-Land nicht aufgekommen ist. Seit dem 15. Februar 1879 geht die Eisenbahn
M.-Gladbach – Roermond- Antwerpen mitten durch das Gebiet der Stadt Rheindahlen, die an dieser Strecke einen Bahnhof für Personen- und Güterverkehr (Rheindahlen) und zwei Haltepunkte (Günhoven und Genhausen) für Personenverkehr besitzt.
Die Stadt hat für die Bahn eine Summe von 15000 Talern aufgewandt, die in sechs Jahren unter vorzugsweiser Belastung der Gewerbetreibenden getilgt worden sind. Diese für die Gemeinde immerhin erhebliche Kostenbeteiligung war unumgänglich, da sie Voraussetzung für die Bevorzugung der Linienführung über Rheindahlen gegenüber der Führung über Waldniel – Krüchten war, für welch letztere sich auch die Gemeindevertretung von M.-Gladbach interessierte.
Die Verkehrsverhältnisse wurden später weiter erheblich verbessert durch die Anlage der elektrischen Straßenbahnen nach Rheydt und M.-Gladbach, erstere wurde am 31. Oktober 1905 und letztere am 27. November 1909 dem Verkehr übergeben. An Bauten, die in den letzten 20 Jahren errichtet worden sind, ist zunächst erwähnenswert das Rathaus, zu dem der Grundstein am 12. Nov. 1901 gelegt wurde.
Das neue städtische Kranken- und Pflegehaus nebst Waisenabteilung an der Südstraße [heute Südwall, D.K.] wurde im Jahre 1910 dem Betrieb übergeben. In Gerkerath wurde im Jahre 1902 eine neue Schule und in Rheindahlen im Jahre 1911 ein zweiklassiger Anbau errichtet. Nicht unerwähnt gelassen werden darf die Anlage der Schmutzwasser- und Regenwasserkanalisation nebst Kläranlage für einen Teil des Stadtkerns, in den Jahren 1909 bis 1913. Eine Einrichtung, welche ein Jahrzehnt hindurch wiederholt erfolglos zur Beratung gestanden hatte und die, nachdem sie einmal da ist, heute niemand mehr missen möchte, ist das städtische Wasserwerk. Mit den Vorarbeiten wurde im Jahre 1913 begonnen. Der Bau wurde so gefördert, dass schon im Februar 1914 das Werk den regelmäßigen Betrieb eröffnen konnte. Die Wassergewinnungsanlage ist so groß, dass sie zur Versorgung der ganzen Gemeinde ausreicht. Leider haben die Kriegsverhältnisse und ihre Folgen es der Gemeinde Rheindahlen auf unabsehbare Zeit unmöglich gemacht, das Leitungsnetz über die Ortschaft Rheindahlen hinaus auf die Ortschaften des Kirchspiels auszudehnen. Die unglücklichen Kriegsfolgen haben überhaupt die ganze, seit 1912 in gesunder Bahn aufwärts sich bewegende Entwicklung der Gemeinde unterbrochen und dieser Entwicklung eine rückläufige Bewegung gegeben was als einer der Hauptgründe dafür zu gelten hat, dass die Gemeinde durch Anschluss an andere Gemeinden neuen Aufschwung sucht.
Zum Schlüsse seien noch an größeren, nicht von der Gemeinde selbst errichteten Bauwerken aus den letzten Jahrzehnten erwähnt das Caritashaus mit Vereinshaus, Jugendheim Turnhalle und Verwahrschule, die Kirchen in Broich und Rheindahlen, die Provinzial- Fürsorgeerziehungsanstalt, sowie die Fabrikanlagen Rheindahlener Textilwerke (1889) und W.-Dilthey & Comp. (1905)
Um die auch hier herrschende Wohnungsnot zu lindern, werden zurzeit 10 Wohnungen, acht an der Kreuzstraße [heute: Görresstraße, D.K.] und zwei an der Sittarder Straße von der Gemeinde errichtet, die zu 800 000 Mark veranschlagt sind. Die von dem früheren verdienstvollen Pfarrer Pauen gegründete und geleitete gemeinnützige Baugenossenschaft wurde durch Zeichnung von Geschäftsanteilen unterstützt, ebenso für die von der Genossenschaft und von privaten aufzunehmenden Baugeldern die Bürgschaft übernommen.
Auf diese Weise hat die Stadt der Baugenossenschaft die Errichtung von 11 Zwei- und 9 Einfamilienhäusern und Privaten die Errichtung von 12 Zweifamilien- und 8 Einfamilienhäusern mit billigem Baukapital ermöglicht.
Möge nun der reiflicher Überlegung gefasste Entschluss für die Folge den Kampf gegen die der weiteren gedeihlichen Entwicklung sich entgegenstellenden Hindernisse Schulter an Schulter mit den Gemeinden Gladbach-Stadt, Gladbach-Land und Neuwerk aufzunehmen, der richtige gewesen sein und die Erwartungen, die an dieses Zusammengehen geknüpft werden, sich erfüllen. Der neuen Großstadt M.-Gladbach wird das Vertrauen entgegengebracht, dass sie ihre neuen Stadtteile nicht stiefmütterlich, sondern als gleichberechtigt dem alten Stadtteil behandeln wird.

[Von Günter Kirberich vermutlich abgepauste Kopie der Karte die dem ursprünglichen Zeitungsartikel beilag. Nachträglich digitalisiert und vektorisiert, 2012, D.K.]