Die Entdeckung von Rheindahlen

Aus der Festbeilage der Gladbacher Zeitung vom 31.7.1921 anlässlich der Vereinigung von Gladbach-Land, Gladbach-Stadt, Rheindahlen und Neuwerk zur neues Stadt M.-Gladbach.

Die Entdeckung von Rheindahlen.

Dahlen wurde Rheindahlen, dies ist jetzt 43 Jahre her.

Einstmals war es eine Festung. In einem halben Jahrhundert wird es vielleicht mitten in einer großen Industriestadt, in "Großgladbach", oder wie die Stadt dann heißt, liegen. Vielleicht heißt sie dann Rheydt-Gladbach, Rh.-Gladbach, oder auch ähnlich schön und vielsagend.

Rheindahlen war eine Kleinstadt und wird es vorderhand auch bleiben, nicht laut wie die Großstadt, dafür aber gemütlich und zufrieden. Es gibt ein urdeutsches Gedicht, das neben vielem anderen Schönen von der behäbigen Bürgergemütlichkeit der Deutschen spricht. Wir meinen Goethes Gedicht von "Hermann und Dorothea". Da findet sich die ganze bürgerliche Gemütlichkeit der kleinen Stadt aufgezeichnet und abgemalt. Von der der heutigen Zeit fast entschwundenen Ruhe, der freundlich behaglichen Gesetztheit der Anschauung von Menschen und Dingen,findet sich noch ein Restchen in den kleinen Städten, - geht nach Rheindahlen.

Geht nach Rheindahlen und schaut euch dieses saubere, ins grün der Bäume und der Wiesen gebettete Landstädtchen an. Nicht alle Straßen laufen gradlinig, beileibe nicht, das würde die ganze Traulichkeit stören. Denn diese Straßen,"sind sie gleich ein wenig krumm" sind doch nett und sauber, denn es heißt in einem Lied: "denn ein Wasser wird gelassen alle Wochen durch die Straßen".

Was, den Scherz mit Ernst zu deutsch, heißen soll, daß die behördliche Straßenreinigung in Rheindahlen schon immer anständig und zweckentsprechend war, und daß desgleichen die von den Hausfrauen geübte Hausputz-Wochenarbeit in Rheindahlen geradezu noch ein Fest ist. Schaut einmal am Samstagnachmittag an, wie die Frauen und Mägdlein im Wasser plätschern und ihre Hausfronten säubern und ein Schwätzchen dabei halten - und den dummen Jungen, die stören, das Wasser um die Ohren spritzen lassen. Schaut in die St.-Peter-Straße, wo die Rosen über den Zaun nicken, freut euch, daß noch so viele Gärten vor, an und hinter den Häusern liegen, freut euch der alten Bäume an den Eingängen der Stadt, und setzt euch ein Weilchen auf den Friedhof mit jenem schlichten, kreuzüberhöhtem Teil, wo die im Weltkrieggefallenen liegen. Es ist auf dem Gräberfeld so schön still, und dabei ist dicht dabei der Bahnhof mit fauchenden Lokomotiven. Und ein paar hundert Schritte weiter wartet die Elektrische auf euch.

Sie bringen euch wieder zu den Zentren von Gladbach oder Rheydt, aus Stille und Behagen der kleinen, in Unruhe und Hast der großen Stadt. Aber ihr nehmt freundliche Bilder mit: Rosen über dem Zaun, ein paar hochgeschürzte Mägdelein, die vor einem der vielen Rhein-dahlen behelligenden Automobile auf den Bürgersteig springen, einen Hosenmatz, der sich von oben bis unten unglaublich schmutzig gespielt hat - viel schmutzigen als man je ein Kind sah - der aber, rotbackig und dick und stramm, aussieht, als zöge er aus, die Welt zu erobern. Und einen dicken Meister Metzger oder "Back- und Konditor", der auf den Stufen seines Hauses steht und das ehrenhafte alte Rheindahlen in Wohlgesetztheit des Leibes und der Seele verkörpert.

Wie wär's, wenn ihr auch einmal auszöget, Rheindahlen für euch zu entdecken.

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